RUHR.2010: Wo ist Zuhause?

„Draußen vor der Tür“ am 25.06.2010, 20 Uhr im Hasper Hammer

Fritz Pleitgen am 12. Mai 2010 im Theater im Depot in Dortmund:

„Ich hätte heute ein Mahler-Konzert in der Jahrhunderthalle in Bochum besuchen können, aber ich ziehe dieses Theater-Ereignis vor!“

„Eine ergreifende Aufführung und ein tolles Ensemble!“

Die Vorstellung am 25. Juni 2010 war ein besonderes Ereignis, denn die beiden Darsteller des Beckmann aus dem Theater „MIRACLE“, Andrej Kurganov, aus Smolensk und dem SchlossSpielEnsemble, aus Hohenlimburg, Adam Hildenberg, spielten gemeinsam auf der Bühne des Hasper Hammer. Für alle Beteiligten ein unvergesslicher familiärer Theaterabend, excellente Schauspielleistungen und internationale Begegnungen.

Fotos von der Vorstellung im Hasper Hammer:

Artikel aus dem „HAKEN“ -Juni 2010-:

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Theaterprojekt „Wo ist Zuhause?“

Deutsch-russisches Schauspielereignis

 

Aufführungen im Kulturhauptstadtjahr 2010:

  • 12. Mai 2010, 20.00 Uhr, Theater im Depot in Dortmund- Fritz Pleitgen war zu Gast
  • 25. Juni 2010, 20.00 Uhr, Hagen, hasperhammer
  • 02. Juli 2010, 10.00 Uhr, Schloss-Spiele Hohenlimburg – Schulveranstaltung im Werkhof
  • 12. Juni 2010, 11.00 Uhr, Cafe Dialog in Hagen, Fotoausstellung zum Projekt

 

„Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert wurde von Studierenden der Smolensker Humanistischen Universität und der Staatlichen Smolensker Universität, die das Theater „MIRACLE“ bilden, 2007 sehr erfolgreich in russischer Sprache aufgeführt. Da die schauspielenden Studentinnen und Studenten fast alle an den Fremdsprachenfakultäten der beiden Universitäten studieren, wurde der Gedanke geboren, das Stück, das zunächst in russisch und französisch präsentiert wurde, auch in Deutsch einzustudieren und in Deutschland aufzuführen.

 

Bei der Bearbeitung des Textes waren Mitglieder des Freundeskreises Hagen-Smolensk e. V. (Frau Dr. Olga Engel) und die Sprachdozentin Frau Natalia Romanova von der Humanistischen Universität beteiligt. So entstand der Gedanke, das Stück auch in Hagen aufzuführen. Der Freundeskreis Hagen-Smolensk hat das Gastspiel des Theaters „MIRACLE“ in Hagen vom 12. bis 21.04.2008  organisiert und dessen Finanzierung gesichert.

Am 13.04.2008 wurde das Stück von „MIRACLE“ in Hagen aufgeführt, ergreifend, grandios!! In der voll besetzten neuen Aula des Albrecht-Dürer-Gymnasiums in Hagen waren die Zuschauer von der Ausdruckskraft der russischen Schauspieler/innen so beindruckt, dass zum Ende des Stücks zunächst alle schweigend auf ihren Sitzen verharrten, aber dann in einen tosenden Beifall ausbrachen, der stehend viele Minuten lang anhielt. Am 15.04.2008 trat die Theatergruppe „MIRACLE“ vor 400 Schülern im Stadttheater Marl (Fotos: Bernd Müller, Schwerte) auf. Die sichtlich beeindruckten und von der Art der Darstellung des Stoffes gefesselten Schüler erlebten z. T. erstmals eine Theateraufführung. Am 19.04.2008 folgte ein Auftritt in der Stadthalle von Gerolstein. Dies war eine Veranstaltung mit unserem Kooperationspartner Eifellicht e.V. (Internetseite-Aktionen – andere Aktionen), der durch diesen Beitrag das Projekts gefördert hat.

Die Studententheatergruppe wurde mit einem stimmungsvollen Abend im China-Restaurant „Kota Radja“ verabschiedet – Eindrücke:

Am 27.06.2008 wurde unser Projekt „Wo ist Zuhause?“ als TWINS.2010-Projekt der Kulturhauptstadt anerkannt. Der Regisseur Dr. Peter Schütze stellt im August/September 2008 das Hagener Ensemble zusammen – es trägt den Namen Schloss-Spiel-Ensemble Hohenlimburg. Die Hauptrolle des Beckmanns übernimmt der junge talentierte Schauspieler Adam Hildenberg. Geprobt wurde ab Mitte September 2008. Die Arbeit an der Inszenierung und dem gesamten Projekt verdeutlicht uns immer mehr, wie aktuell der Borchert-Stoff heute noch immer ist.

Szenenfotos von Bernd Müller:

Nach der Premiere am 21.11.2008, 19.00 Uhr, ebenfalls im Albrecht-Dürer-Gymnasium in Hagen, sollen weitere Aufführungen in den Jahren 2009 und 2010 folgen. Am 5. März 2009, 20.00 Uhr wurde das Stück im Hasper Hammer präsentiert.

Am 9. April 2009 trat das „Schloss-Spiel-Ensemble“ im „Smolensker Kammertheater“ in Russland auf und wirkte dort als hervorragender Botschafter der RUHR.2010-Kulturhauptstadt Europas.

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Fast genau 40 Jahre nach der Aufführung dieses Stückes durch das Staatstheater Saarbrücken in Tiflis spielte eine deutsche Theatergruppe diesmal nicht in Georgien, sondern in Russland Borcherts „Draußen vor der Tür“. Mehr als 800 Personen wollten Eintrittskarten kaufen, aber es fanden leider nur 350 Menschen Einlass, die selbst in den Gängen und Zwischenräumen des Theaters hockten. Der gerade gewählte Smolensker OB Eduard Kochanowskij eröffnete die Veranstaltung, die von vielen deutsch sprechenden Studierenden und Schülern, aber auch von älteren Menschen besucht war.

Am nächsten Tag wurde ein Gruppenmitglied von einer älteren Dame angesprochen: „Sie haben ein großes Ereignis nach Smolensk getragen. Ich kann zwar kein Deutsch, aber das Schauspiel war so authentisch, dass ich alles begriff und nach der Veranstaltung weinend nach Hause ging.“

2009 folgen noch zwei Aufführungen: Im Schloss Hohenlimburg – open air, bei den Schloss-Spielen- und in der Rohrmeisterei in Schwerte.

Historisches:

Zum Stück „Draußen vor der Tür“

„Draußen vor der Tür“ wurde am 13. Februar 1947 vom Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) als Hörspiel gesendet und am 21. November 1947 – einen Tag nach Wolfgang Borcherts Tod – in den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt. Wolfgang Liebeneiner (1905 – 1987), der bereits die Uraufführung des Stücks „Draußen vor der Tür“ inszeniert hatte, adaptierte es 1948 für das Kino: „Liebe 47“.

„Draußen vor der Tür“ 1979 in Tiflis in der großen Metechi- Kirche

Das, was sich derzeit zwischen den Partnerstädten Hagen und Smolensk durch die Aufführung von Borcherts „Draußen vor der Tür“ als Kulturhauptstadt-Projekt Ruhr2010 „Wo ist Zuhause?“ abspielt, hat schon einmal, und zwar nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass sich Menschen aus Russland und Deutschland näher gekommen sind.

Hermann Wedekind, gebürtig in Witten (Westfalen), war auch 1932 kurz am Stadttheater in Hagen beschäftigt, verstand sich nach dem zweiten Weltkrieg als Botschafter der Kunst und des Friedens. Sein Lebensziel war: „Kunst kennt keine Grenzen“. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat er als Generalintendant das saarländische Staatstheater in Saarbrücken geführt. Saarbrücken verband damals eine enge Kulturpartnerschaft mit Tbilissi (georgische Bezeichnung für Tiflis); es war die erste Ost-West-Städtepartnerschaft (Bürgermeister in Saarbrücken war Oskar Lafontaine). Durch enge Kontakte zu Prof. Wachtung Kuprawa und Eduard Schewardnadze, einem Brückenbauer zum Westen und einem wichtigen Vertreter von Glasnost und Perstroika, fand Wedekind Zugang zu einflussreichen Persönlichkeiten in Moskau und konnte dort Wladimir Semjonov und Valentin Falun (später Botschafter in Deutschland) überzeugen, dass „Draußen vor der Tür“ unbedingt in Tbilissi aufgeführt werden müsse. Wedekind hatte zuvor 13 Jahre hart gearbeitet, um diese Brücke nach Osten zu schlagen, zunächst in Gdansk und ab 1970 in Georgien.

In der Weihnachtswoche 1979 wurde „Draußen vor der Tür“ in der Metechi–Kirche aufgeführt. Die Wirkung soll ungeheuer gewesen sein. Das Schicksal des Beckmanns hat die gefühlsbetonten, mitfühlenden Georgier und Russen nachdenklich gemacht. Die Georgier und Russen kannten zwar ihr eigenes Leid, aber weniger das der Deutschen.

Eingeweihte behaupten, damals sei, u.a. auch durch Wedekind und andere an diesem Projekt Beteiligte, ein Teil der Saat für die deutsche Einheit ausgebracht worden.

„Das Leben ist die Antwort“, Artikel von Dr. Peter Schütze im Allgemeinen Sonntagsblatt, 1984.

„Wo ist Zuhause?“: Der Titel für das Projekt wirft sicher auch durch die unterschiedliche Interpretation des Stückes von Borchert viele Fragen auf. Die unabhängigen unterschiedlichen Inszenierungen einer deutschen und russischen Theatergruppe des Stoffes zum Thema „Zuhause“ oder „Heimat“ sind gewollt und sollen das Publikum neugierig machen. Der Aspekt der Migration ist dabei durchaus von Bedeutung, denn es wird spannend sein zu sehen, wie junge russische Darsteller die Thematik bearbeiten und wo die Schwerpunkte in der Interpretation des Stoffes durch die Hagener Theatergruppe liegen können.

Die Frage „Wo ist Zuhause?“ ist für Millionen Menschen in Deutschland und Europa von großer Bedeutung. Wo fühlen sich die Millionen Migranten Zuhause? Hier in Deutschland, ihrer neuen Heimat, oder sind sie noch in ihrem Geburtsland stark verwurzelt. Wann und wie hilft unser Staat diesen Menschen, den Übergang in ein neues Zuhause schmerzfrei zu bewältigen. Eine wunderbare Geste wäre es, wenn Deutschland seinen Migranten eine doppelte Staatsangehörigkeit anböte, wie es andere Länder bereits praktizieren. Die Menschen müssten ihre Wurzeln nicht aufgeben, aber sie könnten sich zugleich zu vollwertig anerkannten Mitgliedern unseres Staates entwickeln: Ein tolles positives Potential!

Es ist das Ziel unseres Projektes, darauf hinzuweisen, dass jeder Mensch einen Anspruch auf sein Zuhause hat. Menschen, die nicht wissen, wo sie Zuhause sind oder ihre Heimat ist, haben unseren Schutz und unsere Hilfe dringend nötig! Artikel 3 Absatz 3 unseres Grundgesetzes, „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“, sollte stärker in den Fokus gerückt und in der Tat von allen gelebt werden. Irgendwo sind wir alle einer von „DENEN“ und es kann jeden sehr schnell auf die Seite der Benachteiligten verschlagen.

Für das Projekt verantwortlich: Hans-Werner Engel, Jan Pfennig, Dr. Olga Engel – Dolmetscherin, Dr. Peter Schütze -Regie, Elena Kurjanova -Regie

Presse:

Westf. Rundschau 5. Juli 2008; Zeitung der Hum. Universität Smolensk 25.05.2008; Westf. Rundschau 18.10.2008; Haken 28.10.2008; Haken, Veranstaltungskalender 28.10.2008; Rundschau-Hohenlimburg 29.10.2008; Westfalenpost-Hohenlimburg 29.10.2008; Der Westen 29.10.2008; Westf. Rundschau 18.11.2008; Westf. Rundschau 25.11.2008; Westfalenpost 25.11.2008; Westf. Rundschau 23.01.2009; Wochenkurier 04.03.2009; Westfalenpost 07.03.2009; Komsomolskaja-PRAVDA-Smolensk 23.03.2009; Komsomolskaja-PRAVDA-Smolensk 24.03.2009; Komsomolskaja-PRAVDA-Smolensk 25.03.2009; Argumante und Fakten, Smolensk 01.04.2009; Westfalenpost-Hohenlimburg 29.08.2009; Ruhrnachrichten 12.09.2009; Schwerter Rundschau 09.09.2009; Wochenkurier Schwerte 12.09.2009; Wochenkurier Schwerte 19.09.2009;    Pflichtlektüre 23.06.2010

Die nachfolgenden Privatpersonen und Organisationen haben dieses Projekt bisher gefördert bzw. sind Kooperationspartner:

Albrecht-Dürer-Gymnasium, Hagen, Leiter Dr. Kux Müller, Bernd und Verena
AllerWeltHaus Hagen Otto, Ursula
ART-Proisk, Künstler Smolensk, A. Dovgan u. a. Partnerschaftsverein Smolensk-Hagen, Smolensk -Petr Saizev, Tatiana Petunina, Frau Orlova-
China Restaurant Kota Radja, Hagen Rohrmeisterei , Schwerte
Clostermann-Oberpichler, Eva Romanova, Natalia
Dörken Stiftung Ruhrtalbuchhandlung Schwerte
Dolosov, Alexander, Smolensk RUHR:2010 GmbH, Essen
Druckerei Schmidt, Hagen Schloss-Spiel-Ensemble Hagen-Hohenlimburg
Eifellicht e. V., Gerolstein Schneider-Mombaur, Laura-Fabienne
Fernuniversität Hagen Schütze, Dr. Peter (Regisseur),
Freundeskreis Schloss-Spiele Hohenlimburg e. V. Smolensker Humanistische Universität – Rektor Prof. Dr. Nikolai Mazhar
Fritz-Berg-Gedächtnisfond Smolensker Staatliche Universität
Fotografenverband, Smolensk Sparkasse Hagen
Hagener Straßenbahn AG

Cafe Dialog in Hagen

Stadt Hagen – Amt des Oberbürgermeisters, Kulturbüro, Schulamt, Gebäudereinigung, Hagen Touristik-
Hasper Hammer Stadt Marl – Stadttheater
Ilina, Aleksandra  

 

„Draußen vor der Tür“ am 20.09.2009, 19.00 Uhr in der Rohrmeisterei in Schwerte

Mit dem Schloss-Spiel-Ensemble wird das Kultuhauptstadt-Projekt “Wo ist Zuhause?” in der Rohrmeisterei in Schwerte gastieren.

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Der Vorverkauf läuft über die Ruhrtalbuchhandlung, den Wochenkurier und die Rohrmeisterei in Schwerte.

Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 5 Euro (Schüler, Studenten und Behinderte)

Presse:

Ruhrnachrichten 12.09.2009; Schwerter Rundschau 09.09.2009; Wochenkurier Schwerte 12.09.2009

„Draußen vor der Tür“ am 27.08.2009, 20.00 Uhr auf Schloss Hohenlimburg

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Mit dem Schloss-Spiel-Ensemble wird das Kultuhauptstadt-Projekt „Wo ist Zuhause?“ im Innenhof des Schlosses Hohenlimburg während der Schlossspiele gastieren.

Fotos (WP Volker Bremshey und Hans-Werner Engel) von der Probe und der Aufführung auf Schloss Hohenlimburg am 27.08.2009:

Presse: Rundschau-Beilage 08.08.2009, WDR – Lokalzeit DO – Tipps und Termine 25.08.2009, Westfalenpost-Hohenlimburg 29.08.2009

Aktualität des Themas von „Draußen vor der Tür“

 

Die Frage, die der Name unseres Kulturhauptstadt-Projektes „Wo ist Zuhause?“ ist, hat in der Literatur zahlreiche Autoren beschäftigt. Zuckmayer mit seinem „Hauptmann von Köpenick“, der einen Ausweis braucht, um in seiner Heimat bleiben zu dürfen und ihn trotz aller Mühen nicht bekommt. Franz Innerhofer beschreibt in seinem Roman, der eigentlich eine Biografie ist, seine „Schönen Tage“ als nichtehelicher Sohn, Holl, auf dem Bauernhof seines Vaters. Noch heute wird Innerhofer in seinem Pinzgauer Heimatdorf verschwiegen; er war einer von denen, das nichteheliche Kind einer Magd. Michael Scholochow beschreibt in seiner Erzählung „Ein Menschenschicksal“ das Leben eines russischen Soldaten, der in den Krieg ziehen muss, im KZ-Buchenwald landet, seine Frau und die beiden Töchter verliert sowie seinen Sohn am letzten Kriegstag. Er begegnet einem kleinen verwaisten Jungen. Um diesem Halt zu geben erklärt er, er sei sein Vater und gibt damit zugleich seinem Leben einen neuen Inhalt.

Borcherts Beckmann ist ein Synonym für den Zustand, den Millionen Menschen auf dieser Welt erleben, Menschen, die ihr Zuhause und Halt suchen, entwurzelt, verzweifelt sind und äußerste Risiken auf sich nehmen, um nicht an ihrem Leid zugrunde zu gehen. Doch viele, so auch Beckmann, gehen zugrunde, sie schaffen es nicht allein aus der Misere wie Scholochovs Figur „Sokolov“. Aber was tun wir, um diese Menschen wahrzunehmen, geschweige denn, Ihnen beizustehen und zu helfen? Bei Borchert ist es nur das einfühlsame Mädchen.

Eine der letzten verzweifelten Überlebensstrategien treibt Menschen zur Satire. Der Schauspieler Wolfgang Borchert wurde noch zum Satiriker – es blieb ihm keine Wahl! Auch Zuckmayers Stück ist nicht nur Drama, sondern bitterböse Satire. „Mensch braucht Ironie, Mensch lebt sonst nicht mehr“ schreibt H-W. Engel zum Ende seines Gedichts „Verwickelte Entwicklungen“ von 2005, das Anfang 2008 von Darstellern im Kulturzentrum Pelmke in Hagen gesprochen und gespielt wurde.

Es ist nicht die plumpe Comedy der sog. Kabarettisten, sondern die leise Ironie, die die Menschen heute langsam wieder zu verstehen lernen, die deshalb noch nicht breit wahrgenommen wird, aber auch  früher nur selten Gehör fand und insofern hat sich nicht viel geändert. Die beckmännschen Laufbahnen haben sich aber ins Tausendfache potenziert. Und darum sind diese Thematik und das Stück „Draußen vor der Tür“ aktueller denn je.

Gerade uns, die enge Beziehungen zu unserer Partnerstadt Smolensk pflegen, treibt dieses Thema an. Jedes Vorurteil ist dazu geeignet einen Menschen als einen von denen abzustempeln. Wie oft hören wir Formulierungen wie: Die Russen sind ……., die Deutschen sind ……….. und es folgt ein Vorurteil, dass weder auf die Russen, noch auf die Deutschen insgesamt zutrifft. Deshalb ist es so wichtig, dass wir den kulturellen Austausch pflegen, einander zuhören und mit unseren Mitteln dafür sorgen, dass Vorurteile verringert werden. Mit den Auftritten des russischen Theaters „MIRACLE“ in Deutschland und dem Auftritt des deutschen „Schloss-Spiel-Ensembles“ in Russland möchten wir dafür ein Zeichen setzen.

Mit vier Beispielen machen wir auf Menschen, jene von „denen“, aufmerksam:

Ist der Bankkunde Beckmann bei seiner Bank gut aufgehoben – fühlt er sich dort wie Zuhause? Wie handeln Banken – etwa verantwortlich für Kunden und Mitarbeiter?

Jahrelang haben die meisten Banken mit fest angestellten Mitarbeitern gute Gewinne gemacht, immer so zwischen 10 und 15 % lag die Quote. Aber den Großaktionären und den Vorständen war es zu wenig. Es sollten 20 bis 30 % Gewinn erzielt werden oder mehr. Tausende Mitarbeiter wurden entlassen und nicht selten als Selbständige bei Versicherungs- und Fondgesellschaften derselben Banken zum Verkauf angeblich gewinnbringender Papiere benutzt. In ihrem persönlichen Überlebenskampf müssen diese Menschen alles, aber auch wirklich alles an Geldanlagen, u. U. auch ohne die Risiken zu kennen, an ahnungslose Anleger verkaufen. Ein Schneeballsystem, in dem die letzten, nämlich die sog. Kleinanleger nur verlieren können. Sie gingen in eine Drehtür ließen nach 18o Grad ihr Geld zurück und standen im Nu mit leeren Händen wieder vor der Tür – sie wissen es heute. Die Bänker hatten Geld und Gewinne für weitere Spielchen mit demselben und mit Menschen. Und trotz Bankenkrise machen viele von ihnen im gleichen Stile weiter wie bisher, zügellos.

Es laufen ungezählte von Banken schwer verletzte Beckmannen durch die U.S.A., Europa und die Welt! Aber werden sie wahrgenommen? Selten oder gar nicht! Verzweifelnd, sprachlos verschwinden sie.

Auch in Deutschland und Russland fürchten die Menschen im Dezember 2008 um ihr Erspartes und nicht wenige Russen heben ihr Geld von den Konten ab, um nicht ein Fiasko wie im Jahre 1998 zu erleben, als sie ihre Ersparnisse insgesamt verloren.

Den Schreihälsen, den Obersten, werden derzeit von den Regierungen Unsummen aus Steuergeldern hinterhergeworfen, zur Rettung der Obersten, obwohl sie in erster Linie der Rettung der Beckmannen verpflichtet wären, doch die sind nicht mehr erreichbar, das Türschild ist längst abmontiert, die Häuser sind leer, die Konten aufgelöst – bei hunderttausenden Bankkunden in den U.S.A.

Und so können sie sich demnächst wieder zum unnützen Plausch treffen, die „Obersten“: bei Will, Kerner oder Beckmann ……. aber bitte ohne Beckmannen. 

Der Lampedusa-Beckmann ist der, der nicht von der Elbe an Land gespült wird, sondern vom Mittelmeer, seine Brüder und Vettern wirbelt die Gischt des Atlantiks bei Grand Canaria oder Teneriffa an die Küste.

Er strandet an der Mittemeer-Insel Lampedusa.

Die Türen Europas bleiben ihnen verschlossen, nur nicht die große Luke der Fähre, die den überlebenden Lampedusa-Beckmann zurück nach Afrika schippert. Zu einem Leben ohne Türen, aber mit stacheligen hohen Zäunen. 

Wir haben bereits vor einem halben Jahr auf dieses Problem hingewiesen. Durch den Fernsehfilm „Willkommen zuhause“, der am 02. Feruar 2009 Fernsehpremiere hat, erhält der Afghanistan-Beckmann sein kulturelles Gesicht. Die Thematik ist grundsätzlich die gleiche wie bei Borchert´s Beckmann. Durch Krieg traumatisierte junge Männer kehren aus einer irrealen Situation in ihre Heimat zurück. Der Beckmann heißt hier Ben Winters (dargestellt von Ken Duken), ein psychisches Wrack. Aber wer darf in unserer Gesellschaft psychisache Probleme haben – KEINER! Denn dann ist er ein Psycho und verliert alle Chancen in die Arbeitswelt zurück zu kehren; er wird einer von denen, die draußen vor der Tür stehen. Ben bekommt nur eine neue Chance, nur weil ein Mensch (Lona, dargestellt von Ulrike Folkerts) nicht weggeguckt hat. Noch schauen viel zu viele nicht hin.

In der Süddeutschen Zeitung greift Sebastian Beck in seinem Artikel „Der Krieg ins uns“-Veteranen kommen zurück- dieses Thema auf. Immer mehr sind traumatisiert. Was das heißt, lernen die Deutschen jetzt wieder. Staistiken belegen diesen traurigenTrend: Laut Verteidigungsministerium hat sich die Zahl der im Afghanistaneinsatz und anderen Kreigseinsätzen traumatisierten deutschen Soldaten 2009 auf 466 Menschen erhöht – 2008 waren es schon 245 Soldaten (Quelle: Süddeutsche Zeitung, 23./24.01.2010, Seite 8, „Im Einsatz verschlissen“)

Der Fernsehfilm „Bloch – Tod eines Freundes“ von Züli Aladags (Regie) greift das Thema mit einer aktuellen, durchaus möglichen Situation eines Afghanistan-Heimkehrers (dargestellt von Jochen Nickel) auf. In amerikanischen Filmproduktionen ist das Thema seit der Vietnam-Katastrophe ein Massenphänomen. In Deutschland dominiert unverständiges Desinteresse, sogar mehr als peinliche Ignoranz. Heute, im September 2009, wo deutsche Soldaten Bomben werfen lassen, selbst Menschen im Kampf töten und erschossen werden, findet das Thema, aber nur weil Wahlkampf ist, etwas mehr Aufmerksamkeit.

Nicht nur der heimgekehrte Soldat Frank Rode, sondern auch der von Dieter Pfaff dargestellte Bloch ist einer von denen, denn er leidet an Burn-out. Einem völlig verdrängten und unterschätzen Phänomen in unserer heutigen Gesellschaft – am 16.09.2009 ging die Nachricht über WDR 5, das sich bei der französichen Telekom in kurzer Zeit mehr als 20 Mitarbeiter das Leben genommen haben.

Der Film, der am 16.09.2009 im Ersten Programm der ARD gezeigt wird, spricht die gleichen dramatischen Probleme an, wie sie Wolfgang Borchert in „Draußen vor der Tür“ beschrieben hat. Man darf gespannt sein, wie die Zuschauerquote ist.

Hartz-4-Beckmann – die Hartz-4-Uhr tickt für viele, auch für Hochschulabsolventen, u. a. für Betriebswirte, für angehende Lehrer, aber das sehen die Bildungsexperten in den Ministerien und den Bezirksregierungen nicht, denn sie rauschen mit ihren Dienstkarossen selten oder nie bei der Arbeitsagentur vorbei oder gerade das. Insofern erblicken sie sie nicht , jene von denen, die doch nur vertreten dürfen und dann wieder von Hartz-4 vegetieren, aber wie lange geht das gut – die Lunte sozialer Konflikte glimmt schon.

In der Stadt Essen leben nach einer Studie des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe mehr als 30 % der Kinder unter 15 Jahren in Haushalten, die Hartz-4 beziehen. In vielen anderen Städten des Ruhrgebiets ist es nicht viel besser.

Wer bleibt auf der Strecke? Wo liegen die Ursachen? Wie lange hält ein Mensch das aus, ohne zu zerspringen? Sind wirklich alle selbst Schuld?

Oder ist es etwa die tolle Flexibilität, die von den Menschen gefordert wird, damit der Arbeitsmarkt bestens versorgt werden kann, dirigiert z. B. von zahllosen Schuleinrichtungen, denen die Aufgabe unvorbereitet zugewiesen wurde, Personal einzustellen, um es zu Beginn der Ferien wieder aussortieren zu können – wie ehedem Gutsherren zu Lichtmess ihre Mägde und Knechte entlassen konnten. Überwunden geglaubte Arbeitsmarktmethoden vergangener Jahrhunderte sind widerlich modern.

Eigenartiger Weise sind Menschen jeder sozialen Herkunft potentielle Hartz-4-Beckmänner. Und keiner scheint es zu sehen oder zu bemerken. Es sind eben die von denen, sie sind, obgleich ungleich, alle so gleich und viele haben nicht mehr die Kraft sich zu befreien oder gegen mächtige Politiker wie Roland Koch zu wehren.

Selbst Schuld? 

Die Auseinandersetzung mit dem Thema ließ uns weitere beckmännische Gruppen erkennen. Hier eine Auswahl:

Alleinerziehende Beckmännin, Lehrer Beckmann, Schüler Beckmann, Agent-Orange-Beckmann, Irak-Beckmann, Guantanamo-Beckmann, Computer-Beckmann, Mobbing-Beckmann, Prommi-Beckmann (Marilyn Monroe, Michael Jakson, Harald Juhnke, Robert Enke), Sichuan-Beckmann

Jeder ist einer von denen! Und ein jeder braucht uns, denn sie alle sind …. Menschen ….

Studententheater „MIRACLE“ bei Theaterfestival ausgezeichnet

Das Studententheater „Miracle“ , das Partner unseres Kultuhaupstadt-Projktes „Wo ist Zuhause?“ ist, hat beim russischen Theaterfestival in Jekatharinenburg mit den Stück „Picknick“ drei erste Preise gewonnen. Sie wurden ausgezeichnet für das beste Stück, die beste Regie -Elena Kurjanova- und den besten Hauptdarsteller.

Wir gratulieren zu diesem feinen Erfolg!!

07. – 12. April 2009 – „Schloss-Spiel-Ensemble“ in Smolensk

Das Kulturhauptstadt-Projekt erreicht einen weiteren Höhepunkt. Das „Schloss-Spiel-Ensemble“ spielt „Draußen vor der Tür“ im Kammertheater in Smolensk.

Es ist die erste Reise eines Schauspiel-Ensembles von Hagen nach Smolensk.

Wir alle sind sehr gespannt, was uns erwartet und freuen uns auf die Begegnung mit jungen Menschen, die großes Interesse an Fremdsprachen und Schauspiel haben. Aber auch die Kontakte mit den Gastfamilien, bei denen wir wohnen werden, sind ein Beitrag zu gegenseitigen Verständnis zwischen Menschen aus Smolensk und Hagen.

„Als ein Meilenstein des wechselseitigen Theaterprojekts „Wo ist Zuhause“ reisten eine Gruppe deutscher Schauspieler des Schloss-Spiele-Ensembles Hohenlimburg und eine Delegation des Freundeskreises Hagen-Smolensk vom 02.04.2009 bis17.04.2009 nach Smolensk. Die insgesamt 19 Personen hielten sich in Smolensk auf, um im Kammertheater unter der Leitung von Dr. Schütze die Aufführung von Borcherts „Draußen vor der Tür“ und Bernd Müllers Fotoausstellung im Kulturzentrum der Stadt Smolensk (Teneschowa 5)  durchzuführen.

Die Theatergruppe um Dr. Peter Schütze war vier Tage in Smolensk anwesend und ausschließlich Privat untergebracht. Die russischen Partner aus der Kunstszene unterstützten uneigennützig und mit hohem Arbeitseinsatz alle Vorbereitungen. Die Gastfreundschaft aller Beteiligten hat unsere positiven Erfahrungen der letzten Jahre bestätigt.

Der Aufenthalt begann mit der gemeinsamen Vorbereitung und Eröffnung von Bernd Müllers Fotoausstellung, die zugleich ein Ergebnis seiner intensiven Begleitung des Projektes „Wo ist Zuhause“ darstellt. Vertreter aller Medien begleiteten die Vernissage. Zahlreiche Besucher nahmen die Ausstellung als gelungene Begleitung des Projekts, aber auch als anregende Differenzerfahrung im Bereich der ästhetisch-künstlerischen Fotografie wahr.

Der Besuch beim Oberbürgermeister der Stadt Smolensk war herzlich und konnte die Bereitschaft der Förderung unserer Städtepartnerschaft im Zeichen von Kunst und Kultur erbringen.

Die Vorbereitungen der Aufführung des Theaterstücks waren begleitet vom unermüdlichen Einsatz der russischen Freunde beider Smolensker Universitäten. Alle engagierten Studenten der Theatergruppe „Miracle“, die Betreuer, sowie Lehrende der Universitäten konnten den herausragenden Erfolg dieser Aufführung mitfeiern. Das Kammertheater in Smolensk musste zusätzliche Sitzgelegenheiten in den mit 350 Plätzen weit über die Kapazitäten ausgelasteten Saales bereitstellen. Mehr als 800 Menschen hatten um Eintrittskarten nachgesucht. Vor allem junge Studierende, aber auch Jugendliche und Interessierte aus der Bevölkerung zeigten hohe Anteilnahme an der spannungsgeladenen Aufführung. Dr. Schütze war äußerst zufrieden mit der geleisteten Arbeit, der Disziplin und der Freude am Schauspiel seiner Gruppe aus Hagen. Das Ensemble des Studententheaters Miracle beteiligte sich an einer Diskussion um die Aufführung, den Vergleich der Inszenierungstechniken und den Stimmen aus Presse und Publikum am folgenden Tag in der Universität. Wir konnten interessante Ergebnisse in der Betrachtung des Stückes besprechen. Alle Aktivitäten wurden von Laura Schneider-Mombaur und Alexandra Ilina journalistisch begleitet, die Eindrücke der Gäste und Beteiligten sind in einem Projektbuch dokumentiert. Unsere russischen Gastgeber waren zu allen offiziellen Veranstaltungen eingeladen, fanden sich interessiert ein und unterstützten trotz ihrer Alltagsbelastung mit allen ihren Kräften und ihrer Freundlichkeit die anwesenden Gäste.“

Auszug aus dem Reisebericht von Jan Pfennig

Fotos von den Proben in Smolensk:

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Trailer zur Aufführung:

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Empfang im Rathaus in Smolensk:

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Aufführung im Kammertheater in Smolensk:

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Empfang in der Smolensker Humanistischen Universität:

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Publikumsmeinung zum Thema unseres Projekts: „Wer ist heute einer von denen?“

Am 05. März 2009 haben wir in der Pause im Hasperhammer damit begonnen, das Publikum in das Projekt mit einzubeziehen. Es wurden einige kleine Zettel verteilt und die Empfänger gebeten aufzuschreiben, warum der Stoff des Theaterstücks von Wolfgang Borchert heute wieder oder noch immer aktuell ist. Unsere Fragestellung lautet: „Wer ist heute einer von denen, die in unseren Gesellschaften keiner sieht oder sehen will?“

Nach dem schrecklichen Amoklauf von Winnenden erhielten wir eine E-Mail mit einem Foto. Ein junger Mann hält ein Schild mit der Aufschrift „Gott, wo warst Du?“. Er stellt  die gleiche Frage wie Beckmann in Borcherts Stück: „Gott, wo warst Du in Stalingrad?“ Er ist einer von denen, deren Entwicklung man nicht sah oder sehen wollte!

Einige erste Anworten haben wir erhalten. Dabei nehmen wir Rücksicht darauf, dass einzelne Schreiber nicht mit ihrem Namen genannt werden möchten:

Am Tage nach der Aufführung in Smolensk gab es eine Diskussion mit interssierten Bürgern, Dozenten und Studierenden. Die Leiterin der zentralen Bibliothek meldete sich zu Wort und erklärte, sie habe mit ihrem Sohn die Aufführung gesehen. Danach hätten sie beide nicht zu Bett gehen können und noch Stunden diskutiert.

Zwei Tage später kam es zu einer zufälligen Begegung in der Stadt. Eine Dame sprach das Ehepaar Engel an und erkärte, sie habe das Stück gesehen und, obwohl sie die Sprache nicht spreche, habe sie alles verstanden, weil das Spiel der Darsteller so authentisch war. Sie war so ergriffen, dass sie den ganzen Weg bis nach Hause geweint habe.

Auftritt vor der Reise nach Smolensk im Hasperhammer, 5.3.2009, 20.00 Uhr

Es entwickelt sich eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem „Hasperhammer“ und das Ensemble trat mit großer Spielfreude auf.

Der Zuschauerraum war bis auf den letzten Platz besetzt und das Publikum erlebte einen mitreißenden Theaterabend. Man bemerkte nicht einmal die Pause, die Menschen blieben wie verwachsen mit den Stühlen auf ihnen sitzen.

Wir haben in der Pause im Hasperhammer damit begonnen das Publikum in das Projekt mit einzubeziehen. Es wurden einige kleine Zettel verteilt und die Empfänger gebeten aufzuschreiben, warum der Stoff des Theaterstücks von Wolfgang Borchert heute wieder oder noch immer aktuell ist. Unsere Fragestellung lautet: „Wer ist heute einer von denen, die keiner sieht oder sehen will?“

 

Rezension: Westfalenpost, 07.03.2009