Tag: 2. Oktober 2014

Dario Weberg und Martin Brödemann mit „SINATRA“ – und „ERHARDT“ – Programm in Smolensk – Tagebuch

Ausnahmsweise beginnen wir das Tagebuch dieses Projekts nicht erst mit der Anreise nach Smolensk, sondern schon etwas früher, denn es muss unbedingt auf die anstrengende Vorbereitung für die Auftritte in Smolensk hingewiesen werden. Mit großer Professionalität gehen Dario Weber und Martin Brödemann daran, das „Sinatra“-Programm und das „Heinz-Erhardt“-Programm für die Auftritte im Tenishova-Kulturzentrum und an der Smolensker Humanistischen Universität vorzubereiten. Uns war ein kleiner Blick auf die Probenarbeit gestattet:  [mygal=tagebvorber] Unsere Smolensker Freunde dürfen sich schon auf die eine oder andere Überraschung freuen, denn die beiden Künstler haben sich einiges einfallen lassen. Es sind völlig neue Programme entstanden. Und zum erstem Mal wird sich das Theater an der Volme gleich mit zwei Programmen in Smolensk präsentieren.

05.10.14

Na, das geht ja gut los. Der Parkvogel hat es auf ECCO-Schuhe abgesehen und zerbröselt mir die Sohle meines rechten Schuhs – von wegen deutsche Wertarbeit. Wahrscheinlich werden die ECCO-Schuhe auch irgendwo in Asien zusammengeschweißt. Nach der Gepäckabgabe hasten wie durch alle Geschäfte, um neue Schuhe zu finden, aber für Pillefüße gibt auf diesem Flughafen keine passende Antwort.

Fotos: HW Engel:

 

Alle Hoffnung ruht auf Russland. So lange müssen die zerpickten Schuhe noch halten. Zu alle dem vermissen wir auch noch unsere Bordkarten, doch nach einigem Suchen finden wir sie in einem Schuhgeschäft.

06.10.14

Die Hoffnung wird nicht enttäuscht. Lange vor der Öffnung des Schuhgeschäfts dürfen schon neue Schuhe ausgewählt werden. Sehr freundliche Bedienung, neue passende Schuhe sind alsbald gefunden und schon sieht die Welt viel leidloser aus.

Auf der Leninstraße begegnen wir Martin und Dario, die in der Teestube Samovar von dem üppigen Angebot an Speisen und Getränken überrascht sind.

Im Glinka-Park erleben wir den farbenfrohen Herbst.

Im Rathaus werden wir von zahlreichen Honoratioren erwartet und das Stadtoberhaupt Evgenij Alexandrovich Pawlow heißt uns herzlich willkommen in der Stadt und verspricht, heute Abend zur Vorstellung zu kommen – mal sehen, ob er das dritte Mal schwänzt. Nach dem Austausch von Geschenken, fahren wir zum Hotel, um die Requisiten zu holen und dann geht es sofort weiter zum Mittagessen.

 

Zu unserer Überraschung ist auch Katja Khramova aus Halle an der Saale angereist. Fünf unserer Smolensker Mitglieder dürfen wir begrüßen und es entwickeln sich sofort muntere Gespräche. Bei der Zusammensetzung der Gesellschaft ist das kein Wunder. Die Moderationen werden besprochen und noch überarbeitet und nette Geschichten werden berichtet – zwei unserer Smolensker Preisträger sind ein Paar geworden. So etwas kann leicht passieren, wenn sich eine junge Russin und ein junger Russe im Sommer in Hagen treffen.

 

Auf geht’s zur Probe und unterwegs besorgen wir noch ein Bügeleisen für Darios Anzug – damit er als knitterfreier Frankie auftreten kann.

 

Martin hadert ein wenig mit der Technik – das Pedal hakt etwas. Als er sich gerade beschweren will, hat Oleg schon ein neues Pedal geordert – ein Hoch den russischen Organisationstalenten. Aleksei bastelt derweil einen großen Notenständer für Martin. Dieser Notenständer wird in unsere Geschichte eingehen!!

Fotos: HW Engel:

 

Der Direktor erscheint – ein wenig aufgeregt. Es sind schon alle aufgestellten Stühle verkauft. Es sollen aber noch Anfragen von weiteren 150 Interessenten vorliegen. Also werden jede Menge Stühle aufgebaut und man einigt sich darauf, auch Stehplätze zuzulassen. Martin glaubt für einen kurzen Augenblick, dass auch ein Enkel von Sinatra anwesend sein wird, weil auch eine Delegation aus den USA in der Stadt ist.

Bereits zwanzig Minuten vor Konzertbeginn ist der Saal proppenvoll. Drei Fernsehsender und diverse Zeitungsvertreten sind anwesend. Das ist auch ein Novum für das Kulturzentrum, denn mit so vielen Menschen hatten sie nicht gerechnet.

Oleg Krolikov und Aleksei Dovgan eröffnen die Veranstaltung – gewohnt gekonnt. Das Publikum ist sehr aufmerksam und verfügt offenbar über gute Sprachkenntnisse, denn Dario wird gut verstanden – doch hilfreich sind zusätzlich Irinas Übersetzungen. Dario und Martin können den Auftritt in vollen Zügen genießen. In gekonnter Manier spielt Dario mit dem Publikum, den Fotografen und den vielen Fernsehkameras.

Fotos: HW Engel:

 

Einige junge Damen haben sich jedoch auch anderen Dingen gewidmet. Sie stellten fest, dass Martin tolle Strümpfe trägt, die farblich besonders gut zu seiner Brille passen – den Russinnen entgeht wirklich nichts. Die Referendare aus Hagen erleben eine Vorstellung des Theaters an der Volme zum ersten Mal und das in Smolensk. Die Hagener privat agierenden Kulturschaffenden sind eben pfiffig, sie bewerben ihr junges Publikum dort, wo es zu finden ist.

Russia1, REN-TVSmol.aif.ru/cultur, kvc.Ru, VisitASmolensk.ru

Jedes Lied wird mit anhaltendem Applaus honoriert. Zum Schluss gibt es Rosen und viele Menschen wollen sich mit den Künstlern unterhalten. Dann folgt noch eine Pressekonferenz mit den Smolensker Fernsehsendern.

Dario und Martin haben den Menschen in Smolensk einen wunderschönen Abend bereitet und viele neue Freunde hinzu gewonnen.

 

Gemeinsam lassen wir den Abend ausklingen.

07.10.2014

 

Nach einem kleinen Frühstück im Cafe Terra gehen wir zur Kathedrale. Im Lichte der Morgensonne ist dieses Bauwerk besonders imposant. Zahlreiche Gläubige streben heute Morgen in die Kirche. Martin hätte hier gern auf einer Orgel gespielt, aber in der Orthodoxen Kirche ist Instrumentalmusik nicht üblich und Orgeln kennen diese Kirchen auch nicht. So muss der Besuch der Kathedrale reichen.

 

Und wie es reicht. Dario, Martin und ich finden jeweils einen Platz, um die Atmosphäre des Kircheninneren auf uns wirken zu lassen. Rechts in einem Seitenflügel liest ein Priester einen Text und im Wechsel dazu singen zwei Frauen mit klaren wunderschönen Stimmen. Die Gläubigen knien immer wieder nieder und küssen anschließend ein goldenes Kreuz, dass der Priester ihnen entgegen hält.

Trotz der Sonne ist die Luft kühl. Rechts sehen wir den Bahnhof und den Dnjepr, sowie das Denkmal des Generals Kutusov, der mit der Russischen Armee dereinst Napoleon hier besiegte.

Währen wir die Sovjetskajastraße hinauf gehen, diskutieren wir die Informationen, die wir gestern gehört haben. Die Russen, mit denen wir Kontakt hatten, sind sehr gut über das, was in Deutschland berichtet wird, informiert und wissen genau wie viele Deutsche, dass unsere deutschen Nachrichten vieles nicht richtig oder gar nicht berichten, sondern eher dazu neigen selbst Meinungen zu verbreiten, als ich auf Fakten zu beschränken. Besonders beliebt sind die Satiresendungen aus Deutschland „Heute Show“ und „Anstalt“, weil diese über die Gesamtlage wesentlich besser informieren, als die Nachrichtensendungen. Das Meinungsbild hier in Smolensk, das wir wahrnehmen, deckt sich mit dem, was auch viele Menschen bei uns entwickelt haben. Aber wir haben auch Stimmen gehört, die mit der Politik der Russischen Regierung nicht einverstanden sind.

Es ist allerdings nur ein eingeschränktes Bild von den Menschen, mit denen wir ins Gespräch gekommen sind.

An der Staatlichen UNI erwarten uns ca. 20 Studierende, mit denen wir die Redewendungen von Heinz Erhard diskutieren und die wir zu der morgigen Veranstaltung in der SHU einladen. Die jungen Menschen sind sehr interessiert, denn die UNI möchte ein Forschungsprojekt zu diesem Themenbereich gestalten und dabei mit dem DAAD, dem Goetheinstitut, der FernUNI und uns zusammen arbeiten. Das ist spannend, denn Dario hat bei seinen umfangreichen Recherchen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Phänomen Heinz Erhard gefunden.

 

In einem Gespräch mit V. Pawljushenko haben wir das Gitarristen-Projekt für 2015 abgeklärt.

 

Auf dem Weg zur Stadtmauer treffen wir dem Fotografen I. Chernov, der an einen neuen Projekt arbeitet. Im Vorbeigehen sehen wir im Giebel einer Kirche eine Kanonenkugel aus dem ersten Vaterländischen Krieg stecken. Nach einigem Suchen findet Aleksei den Zugang zur Stadtmauer – er versäumt es aber nicht, uns auf patriotische Hinterlassenschaften hinzuweisen. Ein guter Rat für den Aufstieg über dunkle Treppen ans Sonnenlicht. Wir erleben einen herrlichen Blick auf die Stadt und auf die bunten Herbstbäume auf der anderen Seite der Mauer. Durch eine Schießscharte gelangen wir auf die stadtauswärts gewandte Seite der Mauer und gehen auf einem Trampelpfade zurück zum Nikolaustor.

 

Den Tag schließen wir mit dem Besuch in einen Jazzkonzert in der Philharmonie ab.

 

08.10.2014

 

Vor dem zweiten Konzert proben die Künstler in der SHU. Irina hat den kleinen Ausstellungsraum gut vorbreitet, aber mit dem großen Andrang der Studierenden hat sie nicht gerechnet.

 

Aleksei stellt die Person „Erhardt“ und die Künstler vor. Dario hat das Publikum schnell in seinen Bann gezogen und wider Erwarten gehen die ca. 80 Gäste toll mit – besonders die Dekanin der juristischen Fakultät. Zwei Zugaben und die Zuschauer kleben noch immer an ihren Plätzen. Die Wasserspritze, das Requisit zum Regenlied, hilft das Problem zu lösen. Martin gibt Autogramme – er ist ein gefragter Pianist.

In dem wunderschönen Puppentheater von Smolensk besprechen wir deren Gastspiel für 2015 in Hagen. Wir lernen alle Raffinessen dieses Schmuckkästchens kennen. Das Theater hat eine große und eine kleine Bühne und alles ist auf die Kinder zugeschnitten – wunderbar und sehr liebevoll. Es wird ein Genuss sein, die Künstler dieses Theaters in Aktion zu sehen. Die Menschen in Hagen dürfen sich schon heute darauf freuen, diese Künstler bald zu erleben.

 

09.10.14

Nach dem Frühstück gingen wir die Sovjetskayastraße hinunter zum Dnjepr.

 

Gegebn 13 Uhr holte uns Prof. Parfeonov dort ab, um mit uns zu Alekseis Atelier zu fahren.

 

Zum Abschiedsessen mit Oleg, Katja, Aleksei und Prof. Parfeonov trafen wir uns im neuen City-Grill.

10.10.14

Die Nacht ist um 2 Uhr zu Ende. Im Minibus reisen wir über die Autobahn nach Moskau. Es herrscht kaum Verkehr und so erreichen wir Vnukovo nach 4 Stunden. Wir deponieren das Gepäck zu einen irren Preis, aber es muss so sein, denn wir können es nicht den ganzen Tag durch Moskau karren. Ein Aero-Express bring uns in 30 Minuten zum Kiewskier Bahnhof im Ukrainischen Viertel Moskaus. Mit der U-Bahn passieren wir den Arbat und die Station Smolensk. Etwas abseits des Roten Platzes hat schon ein Café geöffnet. Endlich können wir frühstücken.

 

Das Wetter ist etwas trüb, aber auch bei diesem Licht ist der Rote Platz imposant. Gerade beginnt in der kleinen Kirche an der Ecke ein Gottesdienst. Wir gehen hinein und lauschen der Liturgie und dem Gesang. Der Andachtsraum ist erfüllt von Weihrauchduft – auch einer der vielen russischen Gerüche.

Langsam treten wir über die  unebenen Pflastersteine des Roten Platzes. Wo ist eigentlich dieser Tust geblieben? ist er noch im Gefängnis. Das Leninmausoleum ist geschlossen. Ein sehr breiter Zebrastreifen führt auf die Erlöserkirche zu. Wir folgen dem Weg und gehen auf die Brücke über die Moskwa. Es öffnet sich ein toller Blick auf den Kreml. Hier ist das Zentrum der Macht – unübersehbar. Um den Kreml herum kommen wir zur ewigen Flamme. An den Heldenstädten Russlands : Smolensk, aber auch Kiew und Odessa – ja sie lesen richtig, diese Städte gehören zu den sehr wichtigen in der Geschichte dieses Landes und das ist hier unübersehbar.

 

Leider sprudelt kein Wasser mehr in den Märchenbrunnen. Und auch das Bolchoi-Theater ist wegen eigenartigen Bauten nicht gut zu sehen. So schauen wir uns das „GUM“ – Eis essen, Kleinigkeiten kaufen und die interessanten Geschäfte ansehen.

 

Gegen 12 geht es zurück zum Kiewskier Bahnhof. Ein wenig essen und die letzen Rubel verbrauchen. Martin findet sogar nicht eine Zigarettenbude. Der Expresszug bringt uns geschwind zum Flughafen, die Kontrollen sind lasch, nur Martin scheint überall mit Metall verseucht zu sein, aber auch er übersteht diese Prozedur. Unser Flieger ist pünktlich, wir können etwas schlafen. Ein wenig müder, aber sehr zufrieden erreichen wir Hagen – nach 17 Stunden Reise.

Wir haben viel erlebt, vielen Menschen Freude bereitet und Freunde und Freundinnen hinzu gewonnen. Der erste Dank gilt Dario Weber, der sich so unproblematisch entschlossen hat, diese Reise zu wagen und auch Martin Brödemann, der noch nie in Smolensk war, so Indra, die Dario hat reisen lassen. Oleg Krolikow, Katja Demko, Aleksei Dovgan, Elena Chmurova, Irina Fedorova, Prof Alexander Parfeonov, der Leitung des Tenishova Kulturzentrums, den Hilfreichen Menschen an der staatl. und der humanistischen Universität undunseren anderen Smolensker Mitgliedern, die uns alle sehr geholfen haben.